Okulare

Eine Wissenschaft für sich


Okulare ermöglichen es uns, das Bild, das unser Teleskop vermittelst seines Objektivs erzeugt, vergrößert zu betrachten. Durch ein Okular wird ein Teleskop im Grunde erst zum Teleskop. Um für jeden Zweck den optimalen Beobachtungserfolg zu versprechen, wurden viele Designs entwickelt.


1. Die klassischen Okularlinsen nach Galilei und Kepler



Es gibt sie nicht als Einsteckokulare zu kaufen. Aber sie können als Okularlinsen in einfachen Operngläsern, Ausziehfernrohren und Minisuchern stecken. Je nachdem bestimmen sie den Typ des Fernrohres mit einfacher Sammellinse als Objektiv. Mit Zerstreulinse handelt es sich um ein Galileisches Fernrohr, mit Sammellinse um ein Keplersches Fernrohr.


2. Zweilinsige Okulare nach Huygens und Mittenzwey



1670 war ein Erfolgsjahr für die Instrumentenkunde. Christiaan Huygens hatte herausgefunden, dass der höchst problematische Farbfehler der zeitgenössischen Geräte reduzieren ließ, indem man statt einer Einzellinse als Okular eine geschickte Anordnung von zwei plankonvexen Linsen verwendete. Es war keine Wunderlösung, doch bei Geräten mit großer Öffnungszahl funktionierte es gut, wenngleich aufgrund der starken Randverzerrung nur ein recht enges Gesichtsfeld von 30° nutzbar war. Diesen Okulartyp gibt es heute noch. Er wird günstigsten Einsteigerteleskopen gerne als Grundausstattung beigefügt. Man erkennt sie an dem Vorsatz „H“ vor der Brennweitenangabe.
Im darauffolgenden Jahrhundert gelang es Moritz Mittenzwey, das Gesichtsfeld des Huygens-Okulars zu vergrößern, indem er statt der plankonvexen Linsen zwei Meniskuslinsen verwendete. So enstand ein neuer Okulartyp, das Mittenzwey-Okular mit der Kennzeichnung „M“.


3. Die Verbindung der beiden Klassiker



Eine Kombination aus einem Huygens- und einem Mittenzwey-Okular verwendet die meniskusförmige Feldlinse des Mittenzwey- mit der plankonvexen Augenlinse des Huygens-Okulars. Die Kennzeichnung lautet „HM“ oder „H.M.“ für Huygens-Mittenzwey-Okular.


4. Die Varianten von Ramsden



Jesse Ramsden veränderte im 18. Jahrhundert das Design von Huygens, indem er die plankonvexe Feldlinse umkehrte, sodass die gewölbte Seite nach innen wies. Es ist aber nicht erwiesen, ob ihm das Huygens-Okular bekannt war. Beim Ramsden Okular, Kennzeichnung „R“, liegt die Gesichtsfeldblende nicht mehr zwischen den Linsen, sondern noch vor der Feldlinse.
Eine besondere Variante ist das symmetrische Ramsden-Okular, Kennzeichnung „SR“ oder „S.R.“, mit zwei gleichen Linsen und dem „S“ für „Symmetrisch“ oder „Symmetrical“. Selten wird es als „Semi-Ramsden“ interpretiert, was sich als „Halb-Ramsden“ übersetzen lässt. Reines Marketinggeschwurbel sind dagegen „Special-Ramsden“ oder gar „Super-Ramsden“


5. Erste Okulare mit verkitteten Linsen



Hierzu gehören die Entwürfe von Carl Kellner (links) und Carl August von Steinheil (rechts). Das Kellner-Okular, Kennzeichnung „K“, verfügt über eine bikonvexe Feldlinse und einem achromatischen, verkitteten Augenlinsenelement. Es reduziert Farbfehler und Randunschärfen besser als seine Vorgänger.
Ebenfalls im 19. Jahrhundert entwarf Steinheil sein „monozentrisches“ Okular. Es ist dank seines symmetrischen Aufbaus absolut farbrein, doch verfügt es nur über ein bescheidenes Gesichtsfeld.


6. Die orthoskopischen Okulare



Dies sind hochwertige Okulare mit hoher Farbreinheit und hohem Kontrast. Ihr Gesichtsfeld reicht bis etwa 40°. Sie sind für Beobachtungen bei hohen Vergrößerungen bestens geeignet, besonders für Planetenbeobachtung. Der Entwurf von Ernst Abbe sieht vor der Augenlinse ein verkittetes dreilinsiges Element vor. Das Prinzip von Albert König kommt dort mit einem Zweilinser aus, der jeoch aus einem noch höherwertigen Glas bestehen muss. Qualitativ sind beide Systeme ebenbürtig. Die Kennzeichnung ist in beiden Fällen „Or“ oder „OR“.


7. Die Plössl-Okulare



Heute ist das von Simon Plößl erfundene Okular der Standard in der Hobbyastronomie. Abbildungsmäßig in etwa auf Augenhöhe mit den orthoskopischen Okularen erreicht es ein Gesichtfeld von ca. 50°. Genau genommen handelt es sich bei so gut wie allen heute erhältlichen Plössl-Okularen um das symmetrische Plössl-Okular, das sich aufgrund seiner beiden identischen Achromate günstiger herstellen lässt. Die Kennzeichnung beider Plössl-Systeme lautet „Pl“ oder „PL“.


8. Weiterentwicklungen des Plössl-Okulars



Durch Hinzufügen einer Sammellinse zwischen die baugleichen Achromate des symmetrischen Plössl-Okulars entsteht das „eudiaskopische“ Okular, zumeist „Super-Plössl“ genannt. Super-Plössl kann jedoch auch marktschreierisch für ein gewöhnliches Plössl mit etwas höherwertiger Vergütung stehen. Das ist nicht immer ganz eindeutig.
Eine gelungene Weiterentwicklung des ursprünglichen Plössl-Prinzips stellt das Okular von Heinrich Erfle dar, das ebenfalls eine zusätzliche Sammellinse enthält. Das Erfle, Kennzeichnung „Er“, war mit einem Gesichtsfeld von 68° das erste wirkliche Weitwinkelokular.


9. Das moderne Weitwinkelokular



Heutige Weitwinkelokulare, bekannt als „UWA-“ oder „Nagler-Okulare“, weisen große Gesichtsfelder von 80° und mehr auf. Ihr Design besteht aus mehr als einem halben Dutzend Linsen. Ihr Nutzwert wird unterschiedlich betrachtet. Für die einen gelten Sie als „Fenster ins All“ und „Okulare mit Wow-Effekt“, eben wegen ihres überwältigend großen Gesichtsfelds. Andererseits wird argumentiert, dass sie, da das Gesichtsfeld des Menschen eh nur 68° beträgt, keinen wirklichen Mehrnutzen bieten. Hier muss dann jeder Beobachter seinen eigenen Weg finden, seine Vorlieben und seine finanziellen Möglichkeiten unter einen Hut zu bringen.